Eltern und Grüne kämpfen weiter

Derzeit arbeitet die Stadtverwaltung Pulheim am neuen Entwicklungsplan für die Schuljahre ab 2011/2012 bis 2016/2017. Schüler, Lehrer und Eltern stehen vor einer entscheidenden Weichenstellung für die hiesige Schullandschaft. Viele Pulheimer wünschen sich eine Gesamtschule für ihre Kinder. Weil Politiker von CDU und SPD da nicht mitziehen, soll ein Bürgerbegehren sie nun umstimmen.
Die Stadt Pulheim bietet Schülern derzeit keine Gesamtschule an. Entsprechend groß ist der Ansturm auf die umliegenden Gesamtschulen in Stommeln, Köln-Bocklemünd und Quadrath-Ichendorf. Doch sie können längst nicht alle Schüler aufnehmen – allein in Stommeln kommen jedes Jahr rund 350 Anträge auf 90 Plätze. Jeder fünfte Schüler aus Pulheim besucht mittlerweile weiterführende Institutionen außerhalb der Stadtgrenzen.

Viele Bürger wünschen sich deshalb eine eigene städtische Gesamtschule. Das zeigte sich bereits bei einer Umfrage im Januar 2010. Die Stadtverwaltung hatte Eltern von über 500 Drittklässlern im gesamten Stadtgebiet angeschrieben. An der Umfrage beteiligten sich 68 Prozent der Eltern, die Stadtverwaltung hält sie daher für repräsentativ. Knapp die Hälfte der Befragten wünschen sich danach ein Gymnasium vor Ort, über ein Drittel sprachen sich für eine Gesamtschule aus, nur 13 Prozent der Eltern möchten Ihre Kinder auf eine Realschule schicken.

Bereits Anfang 2010 formierte sich die Elterninitiative Pro Gesamtschule Pulheim und sammelte 122 Unterschriften von Drittklässlereltern, die sie mit der Forderung nach einer Gesamtschule an Bürgermeister Frank Keppeler übergaben. Auch die Grünen wurden aktiv und stellten zur Ratssitzung im Juni einen Dringlichkeitsantrag, die Chancen und Voraussetzungen einer Gesamtschule auszuloten. Bisher ohne Erfolg: Der Dringlichkeitsantrag wurde durch Bürgermeister Keppeler mit Unterstützung der SPD und CDU in den zuständigen Bildungsausschuss vertagt, und auch dort wurde am entscheidenden Termin Anfang September wurde nichts entschieden. Die SPD – bis dahin auf Kurs der Eltern – plädierte im Ausschuss plötzlich für eine Gemeinschaftsschule. Die CDU wollte sich daraufhin länger beraten.
Parallel dazu feilt seit Monaten eine von Bürgermeister Keppeler initiierte Gruppe am Plan einer vernetzten Bildungslandschaft Pulheim – die auf Gründung einer Gemeinschaftsschule hinausläuft. Hauptunterschied: Eine Gesamtschule bietet Rechtssicherheit und verbindliche Regeln innerhalb einer erprobten und bewährten Schulform (siehe Kasten). Das neue Modell einer Gemeinschaftsschule ist dagegen viel schwammiger definiert und beinhaltet möglicherweise nicht mehr als eine Kooperation der ohnehin bestehenden Schulen. Welche neuen Chancen sich für Schüler ergeben kann für jede Gemeinschaftsschule anders aussehen und hängt von den jeweiligen politischen und pädagogischen Akteuren ab.
Pulheimer Politiker wollen das Modell der Bildungslandschaft Anfang Dezember im Stadtrat durchbringen. Das ist Voraussetzung, um bis Ende des Jahres die Teilnahme am Modellversuch Gemeinschaftsschule bei der Landesregierung beantragen zu können. Nach jetzigem Stand der Dinge soll dieses Experiment im Schuljahr 2011/2012 starten und sechs Jahre lang laufen.
Viele Eltern fühlen sich durch die Pläne der hiesigen Bildungspolitiker massiv übergangen. Die Initiative Pro Gesamtschule und das Familiennetzwerk Pulheim starteten Ende Oktober ein Bürgerbegehren und sammelten bis Anfang November bereits 2100 Unterschriften für eine Gesamtschule (www.familiennetzwerk-pulheim.de). Die Fraktion von Bündnis 90 / Die Grünen wird entsprechend dem Koalitionsvertrag mit der SPD und dem Elternwillen weiterhin den Versuch unterstützen, eine Gesamtschule in Pulheim zu gründen. Dafür setzen wir uns im Stadtrat weiter ein, bieten persönliche Beratung und einen Informationsabend.

Anja von Marenholtz, für die Grünen im Bildungsausschuss der Stadt
Bianca Korte, Ratsvertreterin der Grünen

Gesamtschule
Die Gesamtschule ist das seit 1972 erprobte und etablierte System des gemeinsamen Lernens. Nach der Grundschule bleiben Kinder mindestens bis zur 6. Klasse zusammen, erst danach beginnt schrittweise die Einteilung der Schüler in Kurse auf Haupt-, Realschul oder Gymnasialniveau. Die Differenzierung findet also nicht zwischen verschiedenen Schulen statt, wie im herkömmlichen System, sondern innerhalb einer Schule. Das erleichtert Schülern den Wechsel zwischen den Kursen, wenn sie sich verbessern oder in einzelnen Fächern Probleme bekommen. Nach der 10. Klasse schließt sich in der Regel eine gymnasiale Oberstufe an; die Lernzeit bis zum Zentralabitur beträgt auf Gesamtschulen neun Jahre, während sie auf Gymnasien auf acht Jahre verkürzt wurde.

Gemeinschaftsschule
Die Gemeinschaftsschule existiert noch gar nicht. Sie ist als neues Schulmodell vielmehr das Ziel eines Versuchs, den die Landesregierung neuerdings ermöglicht. Das ist vor allem für strukturschwache Kommunen gedacht, die bis Ende des Jahres beantragen können, sich an diesem Schulversuch zu beteiligen. Dafür gibt es Landesmittel. Sechs Jahre lang haben sie dann Zeit, ihre jeweils bestehenden Schulen miteinander zu kombinieren und zusammenarbeiten zu lassen. Dabei sollen sie nach ähnlichen Inhalten streben wie sie die Gesamtschulen bereits verwirklichen: Längeres gemeinsames Lernen, leichterer Wechsel der Schüler zwischen den Schulformen.

Stetes Ringen um die Gesamtschule

  • Januar 2010: Elternbefragung zum Wechsel von Kindern der dritten Klasse auf weiterführende Schulen, Informationsveranstaltung der Stadtverwaltung zur Elternbefragung, Gründung der Pro Gesamtschule Pulheim.
  • März 2010: Vorstellung und Auswertung der Elternbefragung im Ausschuss für Bildung, Kultur Sport und Freizeit (BKS) durch die Verwaltung.
  • Juni 2010: Übergabe von 122 Elternunterschriften zur Einrichtung einer Gesamtschule in Pulheim durch Pro Gesamtschule Pulheim an den Bürgermeister.
  • Juli 2010: Dringlichkeitsantrag der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen zur Standortprüfung und des Errichtungsbeschlusses für eine Gesamtschule. Der Bürgermeister empfiehlt die Vertagung des Antrags in den Fachausschuss BKS im September.
  • September 2010: Der Antrag verschwindet noch vor der Sitzung des BKS von der Tagesordnung.
  • Oktober 2010: Elterinitiative und Familiennetzwerk Pulheim entwerfen ein Bürgerbegehren. Das Ziel: Mit 3000 gesammelten Stimmen im Stadtrat zu erzwingen, dass Bürger über die künftige Schulform entscheiden.