Haushaltsrede 2021

Trailer zur Haushaltsrede 2021

Haushaltsrede zum Haushalt 2021

Angesichts der pandemischen Lage und der Vereinbarung aller Fraktionen, auf den Vortrag von Haushaltsreden zu verzichten gibt es hier den Beitrag der Grünen in schriftlicher Form.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Erinnern Sie sich noch? Wir hatten im September Kommunalwahlen. Der Rat wurde neu gewählt. Und auch der Bürgermeister wurde gewählt.
Der alte Bürgermeister ist auch der neue. Allerdings erreichte er dieses Jahr ein relativ schlechtes Wahlergebnis. Hatte er vor sechs Jahren noch im ersten Wahlgang die absolute Mehrheit geholt, bekam er nun bei der Stichwahl nur wenig mehr. Das war schon fast so eine Art Misstrauensvotum.
Daraus sollte er doch seine Schlüsse ziehen, denkt man. Leider hat er das nicht. Die letzten Jahre waren wir mit seiner CDU in der Mehrheit und konnten so Einiges im Sinne ökologischer und sozialer Herausforderungen anstoßen. Aber es waren nur Anstöße. Denn der Bürgermeister und die CDU waren davon nicht immer begeistert. Sie waren – und sind – weit entfernt davon, Zukunft zu wagen.
Erinnern Sie sich an die leidige Diskussion zum Thema „Klimanotstand“? Den wollten der Bürgermeister und die CDU partout nicht ausrufen. Obwohl wir ihn ja eigentlich gar nicht ausrufen müssen. Denn er ist ja schon da.
Stattdessen einigten wir uns auf den Klimaappell. Der sieht vor, dass sämtliche Entscheidungen der Verwaltung und des Rates auf ihre Auswirkungen auf das Klima geprüft werden.
Was ist davon heute umgesetzt? NULL.
Und da sind wir wieder beim Bürgermeister. Der ist Chef der Verwaltung. Und damit verantwortlich für die Umsetzung von Ratsbeschlüssen. Scheint ihn aber nicht zu interessieren. Er zieht sein eigenes Ding durch.
Prominentes aktuelles Beispiel: Brauweiler braucht eine neue Feuerwehrwache. Der Bürgermeister und auch die Feuerwehrleute selbst befürworten einen Neubau direkt neben der bestehenden Feuerwehr. Dort steht aber ein Park mit einer Vielzahl alter Bäume. Da schauen wir Grüne natürlich besonders kritisch drauf. Wir sind der Auffassung, dass dieses sehr wichtige Thema vom Rat geprüft und entschieden werden muss. Doch der Bürgermeister hat das Thema bislang von dort fern gehalten. Stattdessen versuchte er, Nägel mit Köpfen zu machen, und die Ratsgremien vor vollendete Tatsachen zu stellen. Wir haben versucht, dem im letzten Liegenschaftsausschuss einen Riegel vorzuschieben. Das ist leider an einer komischen Mehrheit gescheitert. Doch zu WfP komme ich später. Kommen wir zurück zum Haushalt. Der leider in keinster Weise zukunftsweisend geschweige denn beispielgebend ist. Vielmehr bewegt sich dieser Haushalt in einem schönen, gemütlichen Kontext. Es geht in dem Haushalt um Bewahrung und Erhaltung, aber nicht einmal um Bewahrung der Schöpfung. Im ganz klassischen Sinne konservativ. Und daran leidet der Haushalt. Auf die künftigen Veränderungen, die bis tief in unseren Alltag dringen werden, hat er keine Antworten. Er bildet ein „Weiter So“ ab.

Die Rolle der WfP
Mit „WfP“, Abkürzung für „Wir für Pulheim“, gibt es eine ganz neue Fraktion im Pulheimer Stadtrat. Die gab es bisher noch nicht. Und die stand auch nicht auf dem Wahlzettel im September. Denn bei WfP handelt es sich um 5 abgespaltene Mitglieder aus der SPD.
Was da innerhalb der SPD gelaufen ist, wissen wir nicht. Aber vielfach tauchte die Frage auf. Dürfen die das denn?
Das dürfen sie. Jedenfalls gibt es rechtlich keine Handhabe dagegen. Außer dass sie die SPD ausschließen kann. Was diese ja inzwischen gemacht hat.
Ich habe auch kein Problem damit, dass jemand seine Meinung ändert, dass jemand sich woanders besser aufgehoben fühlt, dass jemand anderer Meinung ist. Überhaupt nicht. Und das hat auch nichts mit Wahlbetrug im Trumpschen Sinne zu tun. Aber die fünf haben Wahlkampf für sich gemacht – auf Ticket der SPD. Die fünf haben behauptet, sie stünden für das Wahlprogramm der Pulheimer SPD. Und sie haben sich so auf die Liste wählen lassen.
Sie haben den Menschen auf dem Marktplatz gegenüber gestanden und diesen in die Augen gesehen. Sie haben ihnen gesagt: „Wählt uns! Wählt mich!“ Ich bin Vertreter der SPD hier in Pulheim.
Unabhängig von der rechtlichen Bewertung hat mich dieses Verhalten unmittelbar nach der Wahl nicht nur überrascht, sondern auch enttäuscht. Ich hatte diese 5 Menschen anders eingeschätzt. Wenn man schon während des Wahlkampfs weiß, dass man den Zielen seines Ortsverbands nicht mehr folgen will und kann, dann hätte man früher die Reißleine ziehen müssen. Dennoch: Auch mit der WfP haben wir in den letzten Wochen sehr viele Gespräche geführt. Getreu unserem Ziel, projekt- und themenbezogen mit allen demokratischen Parteien in Pulheim zu verhandeln. Das war insgesamt sehr anstrengend und zeitraubend. Und hat auch nicht immer zu den Zielen geführt, die wir uns gewünscht haben. Aber wir sind guter Hoffnung, dass diese Art des demokratischen Umgangs miteinander Früchte trägt.

Klimaschutz
Unabhängig davon: Der Kreis schließt sich keineswegs.
Denn obwohl WfP bei den Haushaltsberatungen am vergangenen Dienstag ganz viele Entscheidungen mit CDU und FDP (und übrigens auch mit der AfD) traf, gibt es doch 2 Themen, wo WfP sich ihre Selbständigkeit behielt. WfP war für die Einrichtung eines Beirats für IT und Digitalisierung und WfP ist für die Installierung eines Qualitätsmanagementsystems nach dem Vorbild des „European Energy Awards“ (EEA) in der Verwaltung. Der Beirat für IT und Digitalisierung bekam letzte Woche leider trotzdem keine Mehrheit. Das Thema EEA wurde nicht abgestimmt, sondern zur Beratung in die weiteren Ausschüsse verwiesen. Es könnte also noch kommen.
Wie wahrscheinlich das ist? Mit CDU und Bürgermeister ist das eher unwahrscheinlich. Wir hatten schon mal versucht, ein solches Qualitätsmanagementsystem in der Verwaltung zu installieren. Beim EEA
handelt sich um eine Organisationsstruktur, die auf Klimaverträglichkeit und Umweltschutz ausgerichtet ist. Dieses System würde eine völlige Neustrukturierung der Verwaltung zur Folge haben müssen. Nicht von heute auf morgen. Aber auf übermorgen. Wer will das nicht? Das ist keine Preisfrage, die man stellen könnte. In der Kürze liegt die Würze, so sagt man. Die Haushaltsrede des Bürgermeisters am 15.12.2020 war in der Tat kurz. Aber sie war nicht würzig. Von Klima- und Umweltschutz war an keiner Stelle die Rede. Das taucht an keiner Stelle auf. Sehr bezeichnend für die Prioritätensetzung des Bürgermeisters. Wir hätten uns die Einrichtung einer Klimastabsstelle mit größerer Personaldecke gewünscht. Diese Stabsstelle, die in anderen Kommunen schon länger gelebte Praxis ist,
hätte verdeutlicht, dass auch Pulheim im 21. Jahrhundert angekommen ist. Ist aber vom Bürgermeister und der CDU nicht gewollt. Mobilitätskonzept
Hier leider das gleiche Bild. Vor nunmehr bereits 7 Jahren hat Pulheim beschlossen, ein solches Konzept zu erstellen. Doch dieses Konzept gibt es noch immer nicht. Vor 7 Jahren galten wir noch als vorbildlich. Heute sind wir eine Lachnummer.
Und wer ist dafür verantwortlich? Die Corona-Krise? Der verantwortliche Dezernent? Das Planungsbüro, das die Stadt bei der Erstellung des Konzepts begleitet? Letztlich ist derjenige verantwortlich, der die Verwaltung führt. Und das ist der Bürgermeister. Eben so wenig, wie den Bürgermeister der Klimaschutz interessiert, interessiert ihn die Mobilitätswende. So schlägt er zum Beispiel vor, im Jahr 2021 insgesamt 60 Tausend Euro zur Verbesserung des Radverkehrs auszugeben. Aber was kann man damit schon erreichen? Damit kann man ein paar Schilder aufstellen. Oder den Schotterweg zwischen Pulheim hinter dem Segmüller in Richtung Widdersdorf ausbessern. Mehr ist mit 60 Tausend Euro nicht zu machen. Wir haben für den Ausbau des Radverkehrs gefordert, 10 Euro je Einwohner anzusetzen. Das sind round about 550 Tausend Euro. Damit könnte man wirklich was für den Radverkehr erreichen.

Kultur-Notfallfonds
Wir leben in schwierigen Zeiten. Corona hat uns fest im Griff. Ich bin weit davon entfernt, mich als Musiker zu bezeichnen. Aber ich mache Musik. In einer Band. Sorry: Ich MACHTE Musik. In einer Band. Unser letzter Auftritt war – wen wundert es – im Jahr 2019. Im Jahr 2020 haben wir kein einziges Mal geprobt. Zum Glück gehöre ich nicht zu den Menschen, die künstlerisch hauptberuflich tätig sind (Ist vielleicht auch besser so, werden jetzt Einige sagen). Aber es gibt viele Menschen, die uns mit ihrem kulturellen Engagement das Leben verbessern/verschönern/erleichtern. Und davon leben. Wenn sie denn könnten. Im letzten Sommer haben wir es geschafft, einigen wenigen Menschen und Organisationen in Pulheim, mit wenigen hundert Euro unter die Arme zu greifen, als wir den Kultur-Notfallfonds ins Leben gerufen haben. 20 Tausend Euro waren im Topf. Die sofort verteilt waren. Wir hätten sogar 30 Tausend ausgelobt. Der Bürgermeister hatte im Sommer zugesagt, im Jahr 2021 nachzulegen. Hat er aber leider nicht. In seinem Haushaltsentwurf war von einer coronabedingten Notfallhilfe nicht mehr die Rede. Nun könnte man zu seinen Gunsten sagen, dass er das vielleicht nur übersehen hat. Hat er aber offensichtlich nicht. Denn wir haben ihn mit einem Antrag dazu daran erinnert. Doch ohne Begründung lehnte es der Bürgermeister (und natürlich auch seine CDU) ab, den Kultur- und Brauchtumsschaffenden in Pulheim unter die Arme zu greifen. Ein ganz kleines Positivum gab es dann aber doch noch zu berichten. Es werden in diesem Jahr 20 Tausend Euro zur Förderung städtischer Kooperationsprojekte zur Verfügung gestellt. Das ist zwar nicht das, was wir gewollt haben. Aber dem konnten wir uns natürlich nicht verschließen.

Personal-Management
Im Haushalt stehen viele Projekte, die uns die Schulplätze an Pulheimer Schulen sichern sollen. Das finden wir erstmal gut. Aber uns stellt sich die Frage, wie die Verwaltung die Projekte mit der vorhandenen Personalstärke zeitgerecht umsetzen will. Ganz besonders hat uns der Vorstoß von CDU/FDP und WfP zum Schulzentrum Pulheim irritiert. Diese beantragten eine Abwägungsprüfung zwischen Sanierung und Neubau des Schulzentrums. Nach 6 Jahren Stillstand seitens der Verwaltung ist dieser Vorschlag an sich ganz in unserem Sinne. Wenn nicht bereits mehrfach ein entsprechender Vorschlag auf dem Tisch gelegen hätte. Die Verwaltung hat jedes Mal argumentiert, dass sie kein Grundstück für einen Neubau besitzt und dass sie jede weitere Sanierungsplanung einstellen wird, ehe nicht alle Optionen ausgelotet sind. Und das würde zu einem weiteren Stillstand von 3 – 5 Jahren führen. Wir hätten erwartet, dass der Bürgermeister das Thema
zur Chefsache macht und dass er gemeinsam mit allen Fraktionen und den Schulen einen zukunftsfähigen Vorschlag vorlegt. Ähnliche Probleme zeigen sich auch im Immobilienmanagement. Auch hier lehnte die
Verwaltung und die Mehrheit im Ausschuss zusätzliches Personal ab. So können nur Bauunterhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden, die die höchste Priorität haben. Alles andere wird geschoben.

Corona
Nicht nur unser Alltag wird von der Pandemie sehr deutlich geprägt. Auch in der Ratsarbeit erfahren wir seit einem Jahr harte Einschränkungen. Viele Fachausschüsse tagen nicht mehr und der Haupt- und Finanzausschuss übernimmt die Aufgaben des Rates. Insbesondere der Ausfall vieler Fachausschüsse ist inzwischen nicht mehr hinnehmbar. Längst hätte die Verwaltung für geeignete Maßnahmen und deren strikte Durchsetzung
sorgen müssen, dass die Arbeit weitergehen kann. Das alles wäre kein Hexenwerk gewesen. Stattdessen duckt sich der Bürgermeister wieder einmal weg und schiebt alles auf die Pandemie. Das ist inzwischen unerträglich. Doch es gibt inzwischen ein kleines Licht am Horizont. Die ersten Ausschusstermine im März sind in Vorbereitung.
Pulheim ist nicht arm Im Gegenteil – Pulheim geht es richtig gut. Und auch trotz Corona. So erwirtschaftete Pulheim im Jahr 2019 ein sattes Plus von einer halben Millionen Euro. Dabei war ein Minus von 12 Millionen Euro vorhergesagt worden. Und auch die Rücklagen der Stadt liegen im hohen zweistelligen Millionenbereich. Geld für mutige Investitionen in die Zukunft ist also vorhanden. Und mutige Investitionen rechnen sich.
Wir hätten uns mehr Mut gewünscht, mehr Mut zur Veränderung und mehr Mut für die Zukunft. Viele Herausforderungen zwingen uns zu mutigem und beherztem Handeln. Das bildet der Haushalt leider nicht ab. Und daher werden wir ihm nicht zustimmen. Ein letztes Wort noch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Verwaltung. Ich danke Ihnen ganz ausdrücklich für die von Ihnen geleistete Arbeit, ganz besonders vor dem
Hintergrund der schwierigen pandemischen Situation. Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Tatkraft und ein dickes Fell.

Bleiben Sie und auch alle anderen gesund!

Thomas Roth
Fraktionssprecher von Bündnis 90/Die Grünen Pulheim